The world turned upside down

Zur Geschichtspolitik des Hamburger Instituts für Sozialforschung


“‚1945‘ ist dabei, zur Chiffre eines neuen Leidens-Gedächtnisses der Deutschen zu werden, das sich [...] neben das Schuld-Gedächtnis setzen wird, wenn nicht sogar an seine Stelle”, schrieb kürzlich die Süddeutsche Zeitung (30.10.03). Der nationalsozialistische Grund für ihre Flucht vor sowjetischen Soldaten und angloamerikanischen Bomben scheint den Deutschen entfallen zu sein. Die “Gleichzeitigkeit der vier großen Reizthemen Bombenkrieg, Gefangenschaft, Vertreibung und Vergewaltigung” läßt eine Renaissance altbraunen Revanchismus‘ vermuten. Die neue Konjunktur deutschen Leidens begann mit Jörg Friedrichs Buch “Der Brand” und Grass‘ “Im Krebsgang”; sie wird mit der Errichtung eines “europäischen Zentrums gegen Vertreibungen” nicht enden.



Unsere” Wehrmachtsausstellung


Glücklicherweise - so möchte man meinen - gibt es die vom Hamburger Institut für Sozialforschung (HIS) initiierte sogenannte Wehrmachtsausstellung (WMA), die noch immer einem grossen Teil der Linken als Damm gegen die braune Flut gilt. Paradigmatisch formulierte es Klaus Theweleit 1997 in der taz. Er sah in der Ausstellung in ihrer ursprünglichen Version einen “Schuss vor den Bug der Leute, die den verfassungsmäßigen Auftrag der Bundeswehr gern ausweiten würden. Deren Strategie wird von der Wehrmachtsausstellung empfindlich gestört.”


Tatsächlich schien die 1995 vom HIS erstmals gezeigte Ausstellung “Vernichtungskrieg. Verbrechen der Wehrmacht 1941 bis 1944” die deutsche Gesellschaft zunächst in unüberwindbare politische Lager zu spalten. Immerhin wurden dort die aktive Rolle der Wehrmacht im völkisch-antisemitischen Vernichtungskrieg gegen die Sowjetunion und Jugoslawien dargestellt und in unzähligen von der Roten Armee und den Partisanen beschlagnahmten Schnappschüssen deutscher Landser die “Taten des Jedermann” (Jan-Philipp Reemtsma) dokumentiert und kommentiert. Die Gestaltung der Ausstellungsfläche in Form eines eisernen Kreuzes konnte als Verweis auf die Kontinuität zwischen Wehrmacht und Bundeswehr interpretiert werden. Damit bohrte die Ausstellung in einer nationalen Wunde, die rechte Historiker in den 80er Jahren vergeblich zu schließen versucht hatten, und erinnerte zum Gram der Konservativen an eine “Vergangenheit, die nicht vergeht” (Ernst Nolte).


Und jetzt das: Im Begleitprogramm zu der nach Hamburg zurückgekehrten WMA werden an prominenter Stelle ausgerechnet jene Historiker sprechen, die die Kampagne zur Schließung der ersten Ausstellung betrieben hatten: Bogdan Musial unterstellte den Opfern des polnischen und ukrainischen Antisemitismus im zweiten Weltkrieg eine Mitschuld an ihrer Verfolgung (“Die antijüdischen Emotionen resultierten aus dem Verhalten, das nicht wenige Juden an den Tag legten.” Vgl. Jungle World 35/00). Krisztián Ungváry erläuterte in der rechtsradikalen “Jungen Freiheit”, er könne nichts singuläres an den Taten der Wehrmacht entdecken. Und Horst Möller, Direktor des Münchener Instituts für Zeitgeschichte und Laudator des NS-Bewunderers Ernst Nolte, wird zusammen mit Jan-Philipp Reemtsma Grusswort und Einführung für die in geschlossener Gesellschaft stattfindende Tagung “Verbrechen der Wehrmacht. Eine Bilanz” halten. Ergänzt wird dieses Setting durch Hermann Lübbe, der bereits 1983 die segensreichen Folgen des “kommunikativen Beschweigens” der NS-Vergangenheit für die bundesrepublikanische Demokratie pries.



Reemtsmas “Verrat”


Haben also Reemtsma und seine Kollegen die Sache der Aufklärung verraten, die durch die erste Wehrmachtsausstellung repräsentiert wurde? Findet hier ein rechtskonservativer Backlash statt, dem sich die progressive Wissenschaft notgedrungen beugt? Genau das ist der Fall, glaubt man dem gefeuerten Leiter der ersten Ausstellung, Hannes Heer, der dem zu diversen Begleitprogrammen der letzten Stationen der Wehrmachtsausstellung eingeladenen Jörg Friedrich einen “Freispruch für die Täter” vorwirft (konkret 1/04).

Anders sieht das ganze aus, betrachtet man Heers eigenes Agieren bis zur Schließung der ersten Ausstellung. Wie kein anderer hat Heer sich zweifelhafte Verdienste dabei erworben, den Schock über die ungefilterte Darstellung der Taten der Nazigeneration in einen “Dialog der Generationen” zu transformieren: “Ich habe Täter gesehen. Doch mir ist dabei immer deutlicher geworden: Sie sind auch Opfer. Und sie sind in einer mehrfachen Weise beschädigt: durch diesen Normenbruch, durch den Bruch der moralischen Konventionen, und dann durch die ungeheuren Strapazen dieses Krieges, nicht nur die physischen, auch die psychischen, etwa den Tod der Kameraden.” (ZEIT 22/99)

Das Pendant zur einfühlsamen Beschreibung der Leiden der deutschen Täter war bekanntlich die Stilisierung des dritten deutschen Kriegseinsatzes auf dem Balkan zur antifaschistischen Wiedergutmachung an den vorgeblich zu Nazis mutierten Serben. Zur Ausstellungseröffnung im April 1999 in Köln konnte die damalige Oberbürgermeisterin Renate Canisius in ihrer Rede unwidersprochen frohlocken, erstmals sei auch “unsere Bundeswehr” an dem Versuch beteiligt “mit Waffengewalt eine Schneise zum Frieden zu schlagen. […] Lassen Sie uns auch in diesem Geiste des Schutzes der Menschenwürde die heutige Ausstellung betrachten.”

Das HIS hat keinen Verrat begangen. Die erste Ausstellung taugt nicht, um der zweiten entgegengesetzt zu werden, wie die Integration der Wehrmachtsausstellung in die Schuldumkehr während des Jugoslawienkriegs zeigt, der auch Hannes Heer aktiv zuarbeitete.


Der funktionale Wahn, aus der Anerkennung der deutschen Verbrechen sofort eine Kriegsbegründung gegen die ehemaligen Opfer zu fabrizieren, stellte sich zwar als geniale Überwindung der Schranke heraus, die deutscher außenpolitischer Expansion einst durch die Konsequenzen des verlorenen Vernichtungskrieges gesetzt waren. Es blieb jedoch nicht nur bei Deutschnationalen die Angst zurück, die Umdeutung nationaler Verbrechen zum Menschenrechtsauftrag müsse zum Bumerang werden, da die deutsche Politik sich hier gegen früheren nationalistischen Usus selbst mit den Taten der Nazis in Beziehung setze. So wurde Josef Fischers Statement, Auschwitz sei als Gründungsmythos für die Bundesrepublik so zentral wie die französische Revolution für Frankreich, schon damals argwöhnisch kommentiert:

Ein Staat, [...] der tatsächlich auf Auschwitz beruht, kann nur eine Finalität haben, nämlich zu verschwinden. Die Chiffre Auschwitz kann vieles bedeuten, eines jedoch nicht: eine Konstruktionsvorlage. Ein Staat Deutschland, der statt auf den Toten seiner Revolution auf den Leichen der von seinen Vätern Vergasten ruhte, dessen einzige Aufgabe wäre es, sich selbst und seinen Namen abzuwickeln. Tiefstes Befremden.” (Die Welt, 22.05.99) Damit hatten die konservativen Kritiker mehr Einsicht bewiesen als ihre progressiven Gegner im In- und Ausland. Diese hat Fischers Suche nach dem Urkonsens der Demokratie in der nationalsozialistischen Volksgemeinschaft anscheinend niemals befremdet.

Trotzdem erwies sich die rot-grüne Vergangenheitspolitik als prekäres Unterfangen. Die Antwort auf die von Nolte et al. geforderte, aber verfehlte “Entkräftigung” der NS-Vergangenheit konnte dauerhaft nicht in einer “einseitigen” Bekräftigung deutscher Verbrechen bestehen. Dass das deutsche “Wir” auf nichts anderem beruht als auf antisemitischer und rassistischer Vernichtungswut (und Deutschland nach humanen Kriterien deshalb “nur eine Finalität [haben kann], nämlich zu verschwinden”), bleibt eine auch für demokratische Nationalisten unerträgliche Vorstellung. Nach dem gewonnenen Krieg gegen Jugoslawien 1999 und den erfolgreich abgewehrten Forderungen ehemaliger Zwangsarbeiter im Jahr 2000 war die Zeit für “Differenzierungen” gekommen. Auch die Wehrmachtsausstellung hatte in der bisherigen Form ihre Schuldigkeit getan. Die politische Auseinandersetzung um die WMA nahm die Form eines Aushandelungsprozesses um eine national konsensfähige Ausstellung an.



Deutscher Positivismus


Der unmittelbare Einblick in die deutsche Vernichtungsgemeinschaft, den die erste Wehrmachtsausstellung bot, schreckte das gesamte konservative und rechtsradikale Spektrum auf. Unter den Bedingungen einer seit 1989 entfalteten Souveränität des vereinigten Deutschlands - aufgrund der mit der alliierten Kontrolle auch die Angst vor internationalen Konsequenzen eines “deutschen Wegs” in der Vergangenheitspolitik verschwand - konnte der Schock über die Schnappschüsse der Großväter jedoch zur Grundlage nationaler Selbstverständigung über eine zum Familienkrach umgedeutete Geschichte werden: “Die meisten begreifen es als Chance, und sei es auch nur, um zu sagen, wir sind damals von der Nachkriegsgesellschaft schlecht behandelt worden, die hat uns nicht zugehört; was wir alles erlitten haben, hat keinen wirklich interessiert. Das kommt als Grundton durch - ich übersetze es einmal -: Laßt uns jetzt noch einmal darüber reden, vielleicht kann noch etwas gutgemacht werden.” (Hannes Heer in der ZEIT 22/99)


Der (inzwischen gründlich widerlegten) Befürchtung, die eindeutigen Aussagen der ersten WMA über die Taten der Wehrmacht als Organ der Volksgemeinschaft könnten ein kategorisches Negativurteil über die deutsche Nation implizieren, wird in der aktuellen Ausstellung vorgebaut. Schon der neue Titel “Verbrechen der Wehrmacht. Dimensionen des Vernichtungskrieges 1941-1944” zeigt die Verschiebung der Akzente an. Aus dem Untertitel sind die “Verbrechen” an den Anfang gerückt und werden mit “dem damals geltenden Kriegs- und Völkerrecht” kontrastiert. Nicht mehr der durchaus polemische Verweis auf die Exzeptionalität des Vernichtungskrieges gegen den “jüdischen Bolschewismus” steht im Vordergrund, sondern die Abweichung von der “damals geltenden” juristischen Norm, die selbstverständlich auch andere zu verschiedenen Zeiten an unterschiedlichen Orten verletzt haben. Die Totalität des antisemitischen Vernichtungskrieges wird so zur endlosen Reihe von “situativen Dynamiken”, die zu Taten führten, deren juristische Illegitimität erst bewiesen werden muß - ein Forschungsprogramm für Jahre: “Wir können bei vielen Fotos nicht nachvollziehen, ob das, was man dort sieht, eine völkerrechtskonforme oder eine völkerrechtswidrige Erhängung ist.” (Ausstellungsleiterin Ulrike Jureit in der FAZ, 27.11.01)

Diese positivistische Verwirrung wird ergänzt durch die Rede von den “Handlungsspielräumen”, die Reemtsma im Verbund mit Julian Nida-Rümelin Anlass zu Spekulationen über das “Handwerk der Freiheit” und die “Möglichkeiten menschlichen Handelns” gibt (Begleitprogramm zur Hamburger Ausstellung), anstatt die jederzeit vorhandenen Möglichkeiten zur Sabotage der Vernichtung mit der reibungslosen Ausführung der Massenmorde durch die deutsche Volksgemeinschaft zu kontrastieren.

Die “Verbrechen der Wehrmacht” sind nun für das HIS eine empirisch unbestimmbare Anzahl von Einzeltaten, denn laut Ulrike Jureit kann man “über die Anzahl von Wehrmachtsangehörigen, die an Kriegsverbrechen beteiligt waren [...] keine Aussagen machen. Jede Zahl außer Null wäre in diesem Zusammenhang völlig spekulativ.” (FAZ, 27.11.01) Eine Behauptung, die die FAZ treffend kommentierte, indem sie dem Interview mit Jureit und Reemtsma den Titel “Die Wehrmacht war keine Mörderbande” gab.

Auf diese Weise wird eine zentrale Feststellung Goldhagens negiert, die vom Material der ersten WMA bestätigt zu werden schien und die die “Wir Deutschen” aller politische Spektren so sehr empörte: Aus der Perspektive der Opfer gab es keinen Unterschied zwischen Wehrmacht, SS oder Feldpolizei, denn keine Uniform bot Anlass, anderes als den ganz normalen deutschen Überzeugungstäter zu erwarten.



Deutsche Opfer

und alliierter Totalitarismus


Das eigentliche Problem sind nicht Musial, Lübbe, Möller u.a. (Möllers Institut für Zeitgeschichte ist ironischerweise gerade wegen “hoffnungslos veralteter Methoden” und mangelndem internationalen Renommee von massiven Geldkürzungen bedroht), sondern ein Zustand, in dem ihre Statements keinen fundamentalen Dissens mehr hervorrufen können.

Genaugenommen kommt der größte Teil der öffentlichkeitswirksamen Interventionen der letzten Jahre zu den “Reizthemen Bombenkrieg, Gefangenschaft, Vertreibung und Vergewaltigung” aus dem Spektrum, das man früher als links oder linksliberal bezeichnet hätte.

Jenseits der offenen Neonaziszene geht es jedoch links wie rechts nicht mehr um die Leugnung oder Verharmlosung der deutschen Verbrechen, sondern um die Auflösung jeglicher historischen Zusammenhänge oder gar Schlußfolgerungen. So heißt es in der Ankündigung einer Tagung der Forschungsstelle für Zeitgeschichte in Hamburg vom Oktober letzten Jahres: “Die Podiumsdiskussion soll das doppelte Gedenken an die nationalsozialistische Diktatur, die Machtergreifung 1933 und die Bombenkatastrophe 1943, und an den 17. Juni 1953 als Aufstand gegen die als eine Folge des Zweiten Weltkriegs entstandene SED-Diktatur thematisieren.” Damit ist der noch etwas schamhaft als “Bombenkatastrophe” apostrophierte Luftkrieg der Westalliierten gegen Deutschland als zukünftiger “dritter” Totalitarismus (neben DDR und NS) eingeführt, unter dem die Deutschen zu leiden hatten. Die Rede vom “Bombenterror der Anti-Hitler-Koalition” (Hamburger Abendblatt 3.12.03) soll aber keine Zustimmung zum Terror der Hitler-Koalition ausdrücken, sondern “nur” die Ablehnung der Gewalt, die zu deren Niederschlagung notwendig war.

Anlässlich des zusammen mit Jan-Philipp Reemtsma an Daniel Goldhagen verliehenen “Demokratiepreises” und zur Feier von Goldhagens Eingemeindung in das deutsche Selbstgespräch erklärte Jürgen Habermas: “Die eine Seite [d.h. die Justiz] ist an der Frage der Vorwerfbarkeit von Handlungen interessiert, die andere Seite [d.h. die Geschichtswissenschaft] an der Aufklärung ihrer Ursachen. Aus der Sicht des Historikers entscheidet die Zurechenbarkeit von Handlungen nicht über Schuld und Unschuld, sondern über die Art der erklärenden Gründe. [...] Erst aus der Perspektive von Beteiligten, die sich vor Gericht oder im Alltag begegnen und voneinander Rechenschaft fordern, verwandeln sich Fragen der Zurechnung in rechtliche – oder auch moralische – Fragen.” (Blätter für deutsche und internationale Politik, 4/97)

Wenn es um Deutschland geht, sind der Wissenschaft alle Zusammenhänge von Geschichte und Gegenwart abhanden gekommen, weswegen sie nach “erklärenden Gründen” sucht, wie die musterdemokratisch geläuterten Deutschen nur wenige Jahrzehnte zuvor den Nazis anheim fallen konnten - was aber keine Verurteilung implizieren soll. Die “Vorwerfbarkeit von Handlungen” interessiert an anderer Stelle - z.B. bei der Frage, “inwieweit Bush, Blair und Hussein in Den Haag als Kriegsverbrecher angeklagt werden können”, die sich der HIS-Mitarbeiter Gerd Hankel letztes Jahr auf einer Tagung der “Vereinigung Demokratischer Juristinnen und Juristen e.V.” stellte.



Von Nürnberg nach Den Haag


Die Darstellung des deutschen Vernichtungskrieges als Verstoß gegen das positive Recht macht den eliminatorischen Antisemitismus zu einem zwar quantitativ außergewöhnlichen, aber qualitativ unbestimmbaren Ausbruch krimineller Energie. Diese Darstellung findet ihr Pendant in dem Eifer, mit dem die Bundesregierung und ihre intellektuellen Zuarbeiter die Einrichtung eines internationalen Strafgerichtshofs forderten und fördern. Die Anerkennung der Verwerflichkeit der nationalsozialistischen “Rechtsverstösse” durch Deutschland soll die Bundesrepublik zum Avantgardisten einer “Verrechtlichung” internationaler Beziehungen machen. Das HIS widmet im Begleitprogramm zu der Wehrmachtsausstellung eine von fünf Veranstaltungsreihen dem “Kriegs- und Völkerrecht im 20. und 21. Jahrhundert”.


Im März 1997, auf dem Höhepunkt der von der Union angeleiteten schwarz-braunen Kampagne gegen die Wehrmachtsausstellung, brachte Gerald Häfner von den Grünen das nationale Versagen der rechten Gegner der WMA auf den Punkt: “Während wir alle uns gegenwärtig um einen internationalen Strafgerichtshof für das frühere Jugoslawien und Ruanda einsetzen, damit Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen das Völkerrecht, gegen das Menschenrecht in Zukunft endlich abgeurteilt werden können”, bezeichne die CSU die Nürnberger Prozesse als “Siegerjustiz” und die Ausstellung “als Teil eines ‚moralischen Vernichtungsfeldzuges gegen das deutsche Volk‘”. Dies sei “schlimmer als die schlimmste Propaganda von rechts, die wir in diesem Lande bisher erdulden mußten.” (FR 15.3.97)

Schlimmer als die schlimmste Propaganda von rechts” war, dass die CSU mit ihrer Hetze an einen Zustand nationaler Ohnmacht erinnerte, als die “Propaganda von rechts” eine Vergangenheit relativieren sollte, die auf ewig neuer deutscher Souveränität im Wege zu stehen schien. Das ist heute nicht mehr der Fall. Und so kann in der Hamburger Edition des HIS der Spieß umgedreht werden: In der Ankündigung des Buches “Strafgerichte gegen Menschheitsverbrechen”, herausgegeben von Gerd Hankel und Gerhard Stuby, heißt es: “Die Nürnberger Prozesse sind ein Präzedenzfall geblieben. Dies nicht etwa, weil die Welt insgesamt friedlicher geworden wäre. Vielmehr scheiterten weitere internationale Strafgerichtsverfahren nach dem Vorbild von Nürnberg an dem Selbstverständnis der Staaten, die trotz zunehmender weltweiter Organisiertheit die erforderliche Beschränkung ihrer nationalen Souveränität ablehnten.”

Aus dem verlorenen Krieg ergaben sich für Deutschland Souveränitätsbeschränkungen, die der Welt nun als mustergültiger Souveränitätsverzicht präsentiert werden. “Souveränitätsverzicht” bedeutet dabei weder die negative Sanktionierung des deutschen Angriffskrieges gegen Jugoslawien noch die Anerkennung eines Rechtsanspruchs auf Entschädigung für die Opfer des Nationalsozialismus durch die deutschen Förderer “internationaler Rechtskultur”.

Vielmehr soll die souveräne Macht, die die Alliierten in Potsdam und Nürnberg über Deutschland ausübten, ein Exempel für die zukünftige Verhängung von “Souveränitätsverzichten” durch Deutschland gegen ehemalige Opfer und Kriegsgegner abgeben, die im Gegensatz zu Deutschland nicht aus der Geschichte gelernt hätten.

Im Visier steht an erster Stelle Israel als Staat der in Deutschland und Europa verfolgten Juden. Dessen Ministerpräsident Sharon war in Belgien bereits als Menschheitsverbrecher angeklagt. Die Verurteilung Israels wegen der Sicherung seiner Staatsgrenze oder gar die Entsendung von UNO-Truppen wären für Deutschland die ersehnte - und im Gegensatz zu Hohmanns Ausfällen politisch korrekte - Schuldumkehr auf internationaler Ebene.

Die USA können sich dank überlegener Machtmittel zwar einem oktroyierten “Souveränitätsverzicht” entziehen. Ihre Absage an die deutsch-europäische Völkerrechtspflege war für Deutschland, das sich als selbstloser Gegenpart zum nationalen Egoismus der Amerikaner zu präsentieren wusste, jedoch ein Punktsieg auf ideologischer Ebene.

Der Nürnberger Gerichtshof wäre in den Augen seiner späten deutschen Bewunderer “umsonst” gewesen, wenn Deutschland unsouverän geblieben wäre und somit der Welt jetzt nicht das Kriegs- und Völkerrecht erklären könnte. Doch “Nürnberg war nicht umsonst. Diese Hoffnung ist der kleine rote Faden, der dieses gute und wichtige Buch zusammenhält”, stellt Uwe Wesel in einer Rezension des Hankel/Stuby-Sammelbandes befriedigt fest (http://www.his-online.de/edition/programm/010.htm).

Als Politikberater wie als Ideologen schreiben die HIS-Mitarbeiter fleißig mit an den etwas anderen, den deutschen Lehren aus der “Zivilisationskatastrophe” Es sind diese Konsequenzen aus der Vergangenheit, die den alten Appell “Gegen das Vergessen!” in eine Drohung verwandeln - in eine Drohung an den Rest der Welt, nicht zu vergessen, wozu Deutschland in der Lage ist, ob als alte Kriegs- oder als neue Friedensmacht: Wer noch immer “verstockt und verblendet” im Rechtsnachfolger des “Dritten Reiches” das Vorbild globaler völkischer und antisemitischer Barbarei sieht statt den Wohltäter der Menschheit, der wird die Deutschen schon noch kennenlernen.


Bündnis gegen Deutschlands Wiedergutmachung





Veranstaltungen


17. Februar 2004

Günther Jacob (Autor: KONKRET):

Von der Katharsis zur Historisierung. Der Weg der Wehrmachtsausstellung von Hamburg (1995) nach Hamburg (2004) und die Zukunft der deutschen Vergangenheitsbewältigung


17. März 2004

Ralf Schröder / Maximilian Eiden (jour fixe "Zivilisatorische Restposten") und Phase zwei (angefragt):

Mit der Vergangenheit zurück in die Zukunft. Die neue deutsche Geschichtspolitik


24. März 2004

Ilka Schröder (Mitglied des Europaparlamentes) und Lars Quadfasel (Hamburger Studienbibliothek):

Israel, Saboteur der Versöhnung. Der Antisemitismus des guten Gewissens.


Ort und Zeit voraussichtlich jeweils 18.00, Philturm B, Uni Hamburg


Mehr Informationen ab Anfang Februar auf: http://www.antifa-hamburg.com/buendnis.html


V.i.S.d.P.: Fiete Schulze, Max-Brauer-Allee 36, Hamburg